Wissensmanagement und Ansätze einer neuen Lernkultur

Der Computer: Büchse der Pandora oder Rettungsboot im Informationsozean?

 

 

Der folgende Text entstammt meinem Vortrag auf der Schulen-ans-Netz-Konferenz in Bonn, 1997.

 

1. (Unsachliche) Einleitung

Lassen Sie uns also einige Betrachtungen anstellen über eine Kulturtechnik, von der in einer Abhandlung über öffentliche Gesundheit gewarnt wird, dass ihr exzessiver Einsatz folgende Auswirkungen haben wird: „...eine Anfälligkeit für Erkältungen, Kopfschmerzen, Schwächung der Augen, Hitzewallungen, Gicht, Arthritis, Asthma, Schlaganfall, Atemwegserkrankungen, Verdauungsstörungen, nervöse Störungen, Migräne, Epilepsie, Hypochondrie und Melancholie“.


Weiterhin wird von dieser Kulturtechnik gesagt, sie mache die Menschen sozial dysfunktional, und sie würde an die Stelle des direkten zwischenmenschlichen Kontaktes treten und letzten Endes die Gesellschaft zu einer Ansammlung amtlich beglaubigter Außenseiter machen. 

Inzwischen ist schon längst offensichtlich, von welcher Kulturtechnik hier die Rede ist: vom LESEN.

In der Tat wurde bei uns in Deutschland im Jahre 1795 in einer entsprechenden Abhandlung vor den Gefahren des habituellen Lesens gewarnt. Den Menschen wurde allen Ernstes geraten, nicht unmittelbar nach dem Essen zu lesen und wenn schon, dann nur im Stehen, um Verdauungsstörungen vorzubeugen. Gewohnheitsmäßigen Lesern wurde ferner frische Luft, häufige Spaziergänge und regelmäßiges Waschen des Gesichtes mit kaltem Wasser angeraten, um die Schäden wenigstens in Grenzen zu halten. Ebenfalls im 18. Jahrhundert bemerkte der französische Enzyklopädist Diderot: „Die Druckerpresse, die niemals stillsteht, wird riesige Gebäude mit Büchern füllen, in denen Leser gar nicht mehr viel lesen werden. [...] Letztendlich wird die Welt des Lernens – unsere Welt – in einem Meer von Büchern ertrinken.“

100 Jahre später

Die obigen Beispiele finden sich in einer Rede, die der Präsident der renommierten Harvard University, Neil Rudenstine, im Mai 1996 anlässlich der Harvard Konferenz zu Internet und Gesellschaft gehalten hatte. Kulturpessimismus dieser Art trat erneut 100 Jahre später auf, als im ausgehenden 19. Jahrhundert Studien- und Forschungsbibliotheken an den Universitäten einen für damalige Verhältnisse atemberaubenden Zuwachs erlebten. 1876 beklagt sich einer von Rudenstines Amtsvorgängern, Charles Eliot, dass es in Harvard immer schwieriger werde, die rapide Zunahme von Neuzugängen in den Griff zu bekommen. Der Geamtbestand umfasste damals aber gerade erst einmal 42.000 Bände. Man räsonierte darüber, wie die Bibliotheksbücher in den Lehrbetrieb integriert werden könnten. Man sah größte Probleme voraus, wenn nur ein oder zwei Bände von einem Werk vorhanden waren, das 50 oder 60 Studenten für den Seminarbetrieb gelesen haben sollten. Schon damals wurde auch die Gefahr heraufbeschworen, die Studenten könnten angesichts der Fülle von Informationen zu einem Thema, alles verstreut über zahllose Bände und Regale, Tage in den Bibliotheken zubringen, mit immer deutlicherer Inkompetenz in der Trennung von wichtigen und irrelevanten Informationen und schlussendlich doch nicht mehr als nur ein Fragment der tatsächlich vorhandenen Information erfassen.  

200 Jahre später

Parallelen aus der Geschichte sind niemals völlig exakt, aber die beiden von Rudenstine aufgeführten Beispiele des einsamen Lesens und der universitären Forschungsbibliotheken haben doch eine offensichtliche Relevanz für die modernen Informationstechnologien. Viele der heutzutage über elektronische Informationsquellen geäußerten Bedenken und Sorgen wird man mit einem Hinweis auf eben diese Beispiele als nicht substanziell, zumindest aber als nicht internet- oder multimediaspezifisch bezeichnen müssen. Auch bei den herkömmlichen Massenmedien gab und gibt es die Trivialität vieler angebotenen Informationen, die Möglichkeit des Abgelenktwerdens und Zeitvergeudens, Befürchtungen um die psychische und physische Gesundheit der Menschen, die Schwierigkeit des Unterscheidens zwischen essenzieller und nebensächlicher Information und schließlich auch ein gerüttelt Maß an Schund und Schmutz.  

An dieser Stelle ist die wesentlich tiefer gehende Frage angebracht, warum das Internet als Instrument für echte Erziehung einen Siegeszug antreten wird, während eine ähnliche Entwicklung beispielsweise dem Radio und dem Fernsehen vorenthalten blieb. 

2. Hintergrund, Angebot und Anwendungsgebiete elektronischer Informationsquellen im Bereich von (Aus-)Bildung

 2.1 Explosion des Wissens

Es wird heute soviel geforscht wie nie zuvor: 90% aller forschenden Wissenschaftler, die jemals gelebt haben, leben in der Gegenwart. Diese Forschungsarbeit schlägt sich konsequenterweise nieder in einer entsprechend hohen Dichte von wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Beispielsweise wuchs die Anzahl der wissenschaftlichen Zeitschriften in den letzten fünf Jahren um über 25% auf ca. 150.000 Titel. Ein weiterer sehr deutlicher Vergleich: 1965 erschienen ca. fünf Millionen wissenschaftliche Veröffentlichungen; heute sind es zwischen 15 - 20 Millionen. Diese enorme Forschungstätigkeit und die Publikation ihrer Ergebnisse sind dafür verantwortlich, dass sich unser Wissen etwa alle sechs Jahre verdoppelt. Durch jeweils neue Erkenntnisse wird jedoch „altes“ Wissen entwertet. Zahlen dieser Art dokumentieren nur zu augenfällig, dass „lifelong learning“ für sehr viele Tätigkeitsfelder unabdingbar wird. Gleichzeitig wird unverzichtbar, „dass der Umgang mit wissenschaftlicher Literatur, Daten und Fakten auch aus elektronischen Quellen ein Element der Hochschulreife wird“ und mit Sicherheit ist dies auch mittelfristig an allen allgemein- und berufsbildenden Schulen zu vermitteln und einzufordern.  

2.2 Typen elektronischer Informationsquellen

Internet-Dienste und (Multimedia-) CD-ROMs erfeuen sich – zumindest dem Namen nach – bereits eines leidlich hohen Bekanntheitsgrades, wenngleich auch aktuelle Repräsentativumfragen bezüglich der tatsächlichen Computernutzung eine noch ziemlich eindeutige Sprache sprechen: Nur 12% aller Befragten geben an, sich regelmäßig, d.h. mindestens einmal pro Woche mit dem eigenen Computer zu beschäftigen (6% der Frauen; 19% der Männer). Über die Hälfte derjenigen, die mit Ja geantwortet hatten, sind der Altersgruppe 14-24 Jahre zuzuordnen. Blickt man dann auf die konkreten Arten des Computereinsatzes, stellt sich das Bild noch ernüchternder dar: Den größten Anteil an praktischer Verwendung nimmt mit 17% erwartungsgemäß der Bereich Textverarbeitung ein. Nur 2% der befragen Bundesbürger arbeiten regelmäßig mit Internet oder Online-Diensten.

 

2.2.1 Klassische Online-Datenbanken

Anfang 1997 gab es einen weltweiten Bestand von 8.566 Online-Datenbanken, von denen fast die Hälfte aus dem Bereich Wirtschaftsinformation und Wirtschaftswissenschaften stammt (4.043). Datenbanken zum Gebiet Naturwissenschaften, Technik und Patente folgen an zweiter Stelle (1.687), Datenbanken mit juristischem Inhalt liegen auf Platz 3 (1.146). Erst an vierter Stelle und mit einem enormen Rückstand folgen Datenbanken zu den Geistes- und Sozialwissenschaften (378).

Alle diese traditionellen Hosts können fast ausnahmslos nur gegen ein Benutzungsentgelt von Kunden mit eigenem Account und Passwort verwendet werden und kommen daher für die begrenzten Budgets der Sachaufwandsträger von Schulen in der Regel (noch) nicht in Frage, wobei allerdings nicht ausgeschlossen ist, dass in absehbarer Zeit von den Kultusbehörden einzelner Bundesländer Sammelverträge mit solchen Hosts abgeschlossen werden, die dann allen betreffenden Schulen einen kostenlosen Zugang ermöglichen. Eine Ausnahme bilden ab diesem Jahr schon eine Reihe der bedeutendsten deutschen und internationalen Datenbanken, die zumindest den vom Bundesbildungsministerium geförderten Modellschulen, u.a. auch meiner Schule, dem Chiemgau-Gymnasium Traunstein, unentgeltliche Zugänge zu ihren Datenbeständen ermöglichen:  

2.2.2 Internet-Dienste (WWW, Usenet, E-Mail, FTP, Mailinglisten etc.)

Eine Reduktion des WWW auf eine gigantische, oft triviale, mindestens aber statische Informationsquelle, die rein additiv neben anderen traditionellen Informationsquellen steht, wird dem Potenzial dieses Mediums nicht gerecht. „Das Internet ist nicht Fernsehen im Netz, es ist Telefon im Netz.“ Konsequenterweise wird das Internet – im Gegensatz z.B. zum Fernsehen – aus dem einfachen Grund in Bildung und Erziehung Einzug halten, weil die Schüler im Internet all das weiterführen können, was sie in eher traditionellen Formen des Lernens in ähnlicher Weise tun: Das Internet ist auch ein Klassenzimmer im Netz, eine Bücherei, ein Seminar, eine Gesprächsrunde, ein Labor und schließlich auch ein schriftliches Referat im Netz. Usenet, E-Mail und Mailinglisten gehören zum integralen Teil der Arbeit mit „dem Internet“, und hier wird permanent Wissen weitergegeben, selektiert, in Beziehung gesetzt und ergänzt – ein sehr dynamischer und konstruktiver Vorgang, der die Chance in sich birgt, eine Veränderung der Lernkultur bewirken zu können.

3. Wissensmanagement und neue Lernkultur in der Schule

3.1 Begriffsklärung

Wenn in der Wirtschaft seit einigen Jahren von Wissensmanagement die Rede ist, so versteht man darunter ein planvoll einsetzbares Instrument zur Lenkung von Informationsflüssen und zur Vermehrung des kollektiven Wissens (Schüppel, 1996). Die Begriffe Information und Wissen dürfen dabei nicht undifferenziert miteinander vermengt werden. In der Schule können wir uns nicht darauf beschränken, Informationen zu vermitteln. Es geht um verarbeitete Informationen, die erst eben durch diese Verarbeitung, Vernetzung, Bewertung, Reflexion und Einbettung in Kontexte zu Wissen werden.

Derzeit existiert anscheinend keine opinio communis zu der Frage, wie Wissensmanagement nun genau zu definieren sei. Auch erklärt bislang keine wissenschaftliche Disziplin das Wissensmanagement zu ihrem ureigensten Hoheitsgebiet. Genau genommen beginnt das Wissensmanagement auch noch dazu nicht beim bereits gestalteten Wissen, sondern schon bei der Fülle der erst zu verarbeitenden Informationen, so dass schon der erste Teil dieses neologistischen Kompositums unscharf verwendet ist. Erst recht ist der Management-Begriff per se ungeeignet, hier definitorisch klärend zu wirken. Das Wissensmanagement wird also eine eher praxisorientierte, multidisziplinäre Bündelung von Aktivitäten und Fähigkeiten werden, wie die Münchener Wissenschaftler Mandl und Reinmann-Rothmeier in einem Artikel herausstellen:
 „ – Informationen verbreiten, – Informationen selektieren und bewerten, – Informationen in einen Kontext einbetten und mit Bedeutung versehen, – aus Informationen Wissen konstruieren, – Wissensinhalte miteinander verknüpfen und Wissensnetze bilden, – Wissen weitergeben, vermitteln und verteilen, – Wissen austauschen und gegenseitig ergänzen, – Wissen anwenden und umsetzen, – wissensbasiertes Handeln bewerten und daraus neues Wissen entwickeln.“

Beide Autoren betonen nachdrücklich, dass zum Wissensmanagement auch die Fähigkeit gehört, „die vorhandenen technischen Ressourcen zu nutzen“. Für den Schulalltag bedeutet dies konkret, dass die Fähigkeit, Wissen und Informationen auch (!) aus digitalen Quellen erhalten und „handhaben“ zu können, unter sonst gleichen Bedingungen eine jeweils größere Kompetenz an Wissensmanagement bedeutet als wenn dies eben nicht der Fall ist. Konsequenterweise ist die Wissensmanagementskompetenz eines Menschen umso größer, je breiter und ausgeprägter das Spektrum der ihm zur Verfügung stehenden oben genannten Fähigkeiten ist. Es kann weder für Lehrer noch für Schüler in Zukunft angehen, Wissen einmal zu erwerben und dann zu haben. Dieses Wissen muss, weil es sich durch die oben angesprochene explosive Ausbreitung eben nicht mehr statisch festmachen lässt, in Eigeninitiative und in Kooperation mit anderen „gehandhabt“ werden – und dazu wird auch das Wissen um die technologischen Möglichkeiten im Bereich des Wissensmanagements gehören. Inkompetenz in diesem Bereich wird im Beruf ebenso wenig toleriert werden können, wie fachliche Inkompetenz.

3.2 Die Notwendigkeit einer neuen Lernkultur: Der konstruktivistische Ansatz

Wenn sich das so vehement geforderte „lebenslange Lernen“ vom schulischen Lernen nicht grundsätzlich unterscheiden darf (denn wann sonst, wenn nicht in der Schule sollte man schließlich „das Lernen lernen“?), dann bedarf es eines konstruktivistischen Neuansatzes im Lehren und Lernen. Der Lernende darf nicht in seiner eher passiv-rezeptiven Rolle des Wissensempfängers, geführt vom aktiven Wissensverteiler „Lehrer“ belassen werden. Lernen ist ein aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver Vorgang. In der Pädagogik und der Pädagogischen Psychologie werden dazu einige Grundprinzipien gefordert:

Nun wäre es jedoch ein Missverständnis, anzunehmen, dass die geforderte Authentizität des Lernens z.B. im Religionsunterricht schon allein durch Lesen und Besprechen kopierter Originaltexte von Theologen und Philosophen oder Betrachten von Fotos aus dem Land Palästina gegeben sei. Richtig verstandene Authentizität bedeutet auch und sogar in besonderem Maß Authentizität des Lernanlasses und der weiteren Lernphasen. Wenn sich Schüler also z.B. mit ethischen Fragen der Genmanipulation befassen, weil „es im Lehrplan steht“ und/oder weil der Lehrer in der nächsten Stunde darüber „ausfragen“ wird, so ist dies nicht gerade ein Höchstmaß an Authentizität der Gesamtsituation. Beschäftigen sie sich hingegen mit eben diesen Fragen, weil sie ihre Ergebnisse im Rahmen eines Referates vorstellen, in der Schülerzeitung oder auf einer Web-Page veröffentlichen wollen oder in einem E-Mail-Projekt mit Schülern einer anderen Schule teilen oder sogar im Internet als Unterrichtsmaterial veröffentlichen wollen, so wird die gesamte Lernsituation wesentlich authentischer.

3.3 Ausgewählte praktische Einsatzbeispiele elektronischer Informationsquellen im Unterricht

Literaturbeschaffung

Eine ganz neue Möglichkeit der Kombination von Literaturrecherche, -bestellung und -beschaffung bietet seit Oktober 1997 subito, der Dokument–Lieferdienst der deutschen Bibliotheken (http://www.subito–doc.de). Über die Internet-Homepage von subito führen Links zu den Bestellsystemen. Die Lieferung der Dokumente kostet bei bis zu 20 Seiten DM 5,– , wenn die Lieferung elektronisch per E-Mail oder FTP erfolgt. Bei Lieferung per Post kommt ein Zuschlag von DM 3,– und bei Lieferung per Fax ein Zuschlag von DM 5,– hinzu. Zu den Lieferanten von subito gehören diverse Universitätsbibliotheken sowie die Bayerische Staatsbibliothek, die – was die Anzahl der verwalteten Zeitschriften anbelangt – bei weitem führende Bibliothek Deutschlands.

Natürlich kann diese „Literatur“ auch gegebenenfalls über entsprechende CD–ROMs beschafft werden. Derartige Artikelsammlungen auf CD-ROM, gibt es auch von deutschen Tageszeitungen, wie der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder auch der Berliner TAZ.

Erstellung eigener Lern– und Arbeitsmaterialien

Eine Unterrichtsstunde zur Verantwortungsethik des Philosophen und Religionswissenschaftlers Hans Jonas mit einem im Schulbuch abgedruckten Exzerpt einer seiner Schriften, mit einer inhaltlichen Zusammenfassung und einer Lernzielkontrolle durch einige Fragen am Ende der Stunde kann nicht gerade den Anspruch erheben, unter multiplen Perspektiven vorzugehen. Warum stattdessen nicht einmal eine Internet-Suchmaschine bemühen und jeden Schüler oder mindestens verschiedene Arbeitsgruppen unterschiedliche Fundstellen zum Suchbegriff „Hans Jonas“ recherchieren und auf ihre inhaltliche Relevanz überprüfen lassen? Eine andere Gruppe könnte in der Zwischenzeit in einer Datenbank wie LEXIS-NEXIS recherchieren und sich daran machen, die wichtigsten Zeitungsartikel von und über Hans Jonas auszuwerten. Eine weitere Gruppe würde CD-ROMs durchforsten und dabei herausfinden, dass in der aktuellen Multimedia Enzyklopädie DISCOVERY  von Bertelsmann ein Foto und ein kurzes Tondokument von Hans Jonas vorhanden sind. Statt einer Lernzielkontrolle durch Abfragen, könnten die Schüler aufgefordert werden, prägnante Textpassagen in den Zwischenspeicher des Computers zu kopieren, um sie dann in ihr Textverarbeitungsprogramm einzufügen und schließlich ihr Lern- und Arbeitsblatt zu Hans Jonas selbst zu erstellen. Der Lehrer kann den Schülern den zusätzlichen Hinweis geben, sie mögen den Text zweizeilig und mit breitem Rand editieren, da das Textblatt auf diese Weise Raum für Rand- und Interlinearnotizen gibt. Hier wird dann gegenüber einem Lehrbuchtext ein echter „Mehr-Wert“ (added value) geschaffen. Vom zeitlichen Umfang her ist diese gesamte Vorgehensweise zwar aufwendiger (ca. zwei Schulstunden statt einer), jedoch gleichzeitig für die Beteiligten auch ergiebiger als eine herkömmliche instruktionalistische Schulstunde.

 Abklären von auftauchenden Fragen – eine authentische Lernsituation

Die beiden Wochenstunden unseres Modellprojekt-Unterrichts in Religion finden ausschließlich im Computerraum statt, wodurch wir für den Einsatz von CD-ROMs, Internet und Online-Datenbanken dementsprechend optimale Bedingungen vorfinden. Wenn nun beispielsweise nach einem Referat zu Jean-Paul Sartres dezidiert atheistischem Existentialismus die Frage auftaucht, warum es dann auch den im Referat angesprochenen christlichen Existenzialismus Kierkegaards geben kann, so könnte der Lehrer hier schnell in seine angestammte Rolle als Verteiler von Wissen steigen und die Frage ganz einfach beantworten. Er könnte aber auch eine Gruppe von Schülern beauftragen, mit Hilfe von Microsoft Encarta diese Frage zu klären. Diese werden dann sehr schnell mit dem Suchwort „Existenzialismus“ auf einen einschlägigen Artikel stoßen. Sie werden ferner, da es sich um einen relativ langen Artikel handelt, das Fenster „Gliederung“ aufklappen und dort sowohl Kierkegaard als auch die Antwort auf die Frage finden. Die Schüler werden sodann die entsprechende Textstelle markieren und mit einem Bild Kierkegaards auf dem Laserdrucker eine Overhead-Folie ausdrucken, die sie der Klasse anschließend präsentieren. – Authentisches Wissensmanagement von und durch Schüler.  

WebPublishing

Normalerweise ist eine Veröffentlichung das Ende eines Prozesses: Das Buch wird gedruckt und verkauft; der Verfasser wendet sich einem anderen Projekt zu. Setzt man das Web im pädagogischen Bereich jedoch richtig ein, ist die Veröffentlichung einer Projektarbeit von Schülern erst der Anfang eines Prozesses. In ihrem richtungsweisenden Artikel aus dem Jahre 1989 berichten die Telekommunikationspioniere Margaret Riel und Moshe Cohen,  dass Schüler, die für eine weit entfernte Leserschaft schrieben, in ihren Arbeiten bessere Resultate erzielten, als eine Kontrollgruppe, die dies nur für ihren Lehrer (und für gute Noten!) tat. Die Schüler setzten sich automatisch einen höheren Standard, was die Genauigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Aussagen anbelangte. Beim Lehrer waren sie offensichtlich häufiger und früher geneigt, zu unterstellen, er werde im Endeffekt schon wissen, wovon die Rede sei.

Kommunikation und WebPublishing = THINKQUEST 

Der Möglichkeiten im Bereich Kommunikation gibt es genügend: Schulpartnerschaften, E-Mail-Projekte, offene Mailinglisten, Austausch in fachspezifischen Newsgroups, Teilnahme an Netmeeting-Konferenzen. Eine der vielversprechendsten Initiativen, die WebPublishing mit internationaler Kommunikation verbindet, ist ThinkQuest, der weltgrößte Internet-Lernwettbewerb. Bei diesem Wettbewerb, zu dem Schülerteams zwischen 12 - 19 Jahren zugelassen sind, geht es darum, Lern- und Unterrichtsmaterialien zu produzieren und über den ThinkQuest Server in Armonk, New York Schülern auf der ganzen Welt zur Verfügung zu stellen. Die teilnehmenden Schüler, ihre Betreuungslehrer (=Coaches) und auch ihre Schulen können dabei Preise im Gesamtwert von über einer Million Dollar gewinnen.

Das Interessante an den Regeln zu diesem Wettbewerb ist, dass ein Schülerteam (2 - 3 Schüler) nur dann wirklich in die Spitzengruppe aufrücken kann, wenn die Teammitglieder aus verschiedenen Ländern stammen und dadurch die in konstruktivistischen Bildungstheorien so hoch eingeschätzten Gedanken der Zusammenarbeit, der Aktivität, des authentischen und multiperspektivischen Lernens quasi automatisch verwirklichen.  

Weitere deutsche Informationen zu ThinkQuest http://www.thinkquest.org . Die deutschsprachigen Wettbewerbsbedingungen sind unter http://www.thinkquest.de  nachzulesen.  

Literatur: